Zwischen Gleichberechtigung und Lesbarkeit: Was Gendersprache wirklich bewirkt
Gestern hat mich ein Autor gefragt, ob er in seinem Roman einen Hinweis darauf geben soll, dass und warum er in seinem Text das generische Maskulinum verwendet.
Mein Rat war: Nein.
Grund: Ich halte von Gendersprache rein gar nichts. Weder gesprochen noch geschrieben. Deshalb halte ich auch den Hinweis auf das generische Maskulinum in einem Buchtext für überflüssig. Weil: in meinen Augen selbstverständlich.
Das generische Maskulinum
Das generische Maskulinum ist ein grammatisches Phänomen der deutschen Sprache, bei dem die maskuline Form zur Bezeichnung von Personengruppen unabhängig vom biologischen Geschlecht verwendet wird. Seit einigen Jahren wird darüber intensiv diskutiert, ob diese Form weiterhin zeitgemäß ist oder durch gendergerechte Alternativen ersetzt werden sollte. Die Debatte ist gesellschaftlich, politisch und sprachwissenschaftlich relevant und verläuft auch ziemlich konträr.
Argumente für das generische Maskulinum
Sprachökonomie
Das generische Maskulinum ermöglicht kurze und flüssige Formulierungen. Doppelnennungen wie »Schülerinnen und Schüler« können Texte unnötig verlängern und unübersichtlich machen.
Tradition und Verständlichkeit
Da die Form seit Jahrhunderten verwendet wird, ist sie im Sprachgefühl der meisten Menschen fest verankert. Sie wird in den allermeisten Kontexten spontan verstanden, ohne Erklärungsbedarf.
Grammatische Logik
Im Deutschen unterscheidet man zwischen grammatischem Geschlecht (Genus) und biologischem Geschlecht (Sexus). Das Maskulinum kann daher grammatisch neutral sein, ähnlich wie im Fall »das Mädchen«, das grammatisch sächlich ist.
Neutralität im Fachkontext
In juristischen, wissenschaftlichen oder technischen Texten dient das generische Maskulinum dazu, sich auf Funktionen, Rollen und Tätigkeiten zu konzentrieren, ohne das Geschlecht zu betonen.
Argumente gegen das generische Maskulinum
Psychologische Wirkung
Studien zeigen, dass rein maskuline Gruppenbezeichnungen in der Vorstellung vieler Menschen eher männliche Personen hervorrufen. Dadurch entsteht ein verzerrtes Bild.
Unsichtbarkeit anderer Geschlechter
Frauen und nicht-binäre Menschen fühlen sich mitunter sprachlich nicht angesprochen, was zu einem Gefühl der Exklusion beitragen kann.
Gesellschaftlicher Wandel
Sprache entwickelt sich stetig. Befürwortende argumentieren, dass moderne Gesellschaften Vielfalt sprachlich abbilden sollten — etwa durch neutrale Bezeichnungen (Studierende, Lehrkräfte).
Vorbildfunktion öffentlicher Sprache
Institutionelle Texte (z. B. Verwaltung, Medien) prägen das Denken. Inklusive Sprache kann ein Signal für Gleichbehandlung setzen.
Abwägende Stellungnahme
Beide Positionen haben nachvollziehbare Argumente. Das generische Maskulinum bietet klare Vorteile hinsichtlich Lesbarkeit, Tradition und struktureller Einfachheit. Gleichzeitig legen psycholinguistische Befunde nahe, dass es in der Praxis nicht vollständig neutral verstanden wird. Je nach Kommunikationsziel kann daher die Wahl anderer Formen sinnvoll sein, insbesondere in Kontexten, in denen Repräsentation wichtig ist.
Fazit
Das generische Maskulinum ist grammatisch korrekt und gut funktionsfähig, stößt jedoch gesellschaftlich auf berechtigte Kritik. Eine pragmatische Lösung kann darin bestehen, kontextabhängig zu entscheiden:
- Formell/fachlich: generisches Maskulinum aus Gründen der Klarheit.
- Öffentlich/pädagogisch: inklusivere Sprache, um Gleichbehandlung sprachlich sichtbar zu machen.
So bleibt die Sprache sowohl verständlich als auch zeitgemäß.
Fazit:
- Das generische Maskulinum hat praktische, grammatikalische und ästhetische Vorteile.
- Gleichzeitig zeigt sich aber, dass Sprache unser Denken über Geschlecht prägt, weshalb viele geschlechtergerechtere Formen bevorzugen.
- Die Wahl hängt stark vom Kontext ab:
- In juristischen oder wissenschaftlichen Texten: oft generisches Maskulinum.
- In öffentlicher Kommunikation oder Bildung: zunehmend inklusive Sprache.
Ich persönlich hatte noch nie ein Problem mit dem generischen Maskulinum. Und fühlte mich auch noch nie diskriminiert, wenn ich beispielsweise mit »Kunde« angesprochen wurde. Obwohl ich ja eine Frau bin.
Marlies Krämer hingegen hat ein derart großes Problem damit, dass sie sogar vor Gericht zog. Die ältere Dame setzte sich dafür ein, in den Formularen ihrer Bank als »Kundin« statt als »Kunde« angesprochen zu werden, zog nach einer Niederlage vor dem Bundesgerichtshof (BGH) auch vor das Bundesverfassungsgericht (BVerfG). Nachdem ihre Verfassungsbeschwerde vom BVerfG nicht zur Entscheidung angenommen wurde, kündigte sie an, vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) zu ziehen. Ob sie tatsächlich eine Klage dort eingereicht hat, ist mir nicht bekannt.