Amazon verkauft Bücher, die es nicht hat

Amazon verkauft Bücher, die es nicht hat. Konkret bedeutet das, Amazon greift Buchinformationen beim VLB ab und bietet alle dort gelisteten Bücher auf seinem Portal an – ganz egal, ob ein Autor das möchte oder nicht.

Dieser Umstand ist allgemein bekannt, und ich habe schon mehrfach darüber geschrieben, unter anderem in diesem Artikel.

Amazon, die Datenkrake

Den meisten Autoren empfehle ich deshalb, aus der Not eine Tugend zu machen, und folgendermaßen vorzugehen:

Bücher selbst verkaufen

Entweder ein Verkäuferkonto bei Amazon einzurichten und das Buch dort als Verkäufer anzubieten. Diese Vorgehensweise ist empfehlenswert bei Hardcoverbüchern, die eine Druckerei produziert hat und die man selbst verkaufen und verschicken möchte.

Amazon verkaufen lassen

Bei KDP (Kindle Direct Publishing – ein Amazon-Tochterunternehmen) ein Konto einzurichten, die Buchdateien dort hochzuladen und das Buch von Amazon verkaufen zu lassen. Diese Vorgehensweise ist empfehlenswert bei Softcoverbüchern, die “on demand” gedruckt und von Amazon verschickt und dem Käufer berechnet werden. Der Autor hat damit also keine Arbeit, bezahlt allerdings kräftig für diese Dienstleistung.

Buch bei Amazon derzeit nicht verfügbar?

Nun gibt es aber auch Autoren, die mit Amazon nichts zu tun haben möchten. Das Problem dabei ist dann, dass das Buch trotzdem gelistet ist – mit dem Hinweis “Derzeit nicht verfügbar”.

Das ist zwar an sich korrekt, für die Verkaufschancen des Autors aber schädlich, denn potenzielle Leser könnten aufgrund dieses Hinweises vermuten, das Buch sei grundsätzlich nicht verfügbar.

Diese Vermutung stimmt aber nicht! Denn der Autor hat das Buch ja zur Verfügung, er möchte es lediglich über Amazon nicht verkaufen.

So weit, so schlecht.

Vorbestellbar bei Amazon?

Nun schickte mir vor einigen Tagen eine Autorin eine verzweifelte E-Mail und schrieb: “Stellen Sie sich vor, Amazon bietet mein Buch zum Vorbestellen an.”

Ich schaute sofort nach, und tatsächlich: Das ursprünglich als “Derzeit nicht verfügbar” deklarierte Buch konnte plötzlich vorbestellt werden.

Vorher

amazon nicht lieferbar 1

Nachher

amazon vorbestellung

Da ich wusste, dass Amazon dieses Buch nie zur Verfügung haben würde, wollte ich wissen, was bei einer Vorbestellung passiert. Ich bestellte das Buch kurzerhand und bekam umgehend eine Bestellbestätigung.

amazon bestellbestaetigung

Wie man sehen kann, wurde als Liefertermin der 31. August angekündigt. Also eine Woche nach dem beim VLB eingetragenen Erscheinungstermin.

VLB Eintrag

Ich fragte mich allerdings:
Wie kann Amazon ein Buch ausliefern, das es nicht zur Verfügung hat?

Genau das wollte die Autorin auch wissen und nahm Kontakt mit Amazons Kundendienst auf. Schlauer wurde sie dadurch allerdings nicht, denn auf ihren Einwand, dass Amazon das Buch nicht zur Verfügung haben würde und demzufolge auch nicht verkaufen könnte, bekam sie zur Antwort: “Wir haben unsere Lieferquellen.”

Amazon hat also seine Lieferquellen!

Interessante Information, denn die einzige Lieferquelle ist die Autorin. Und sie hat nicht das geringste Interesse daran, ihr Buch über Amazon zu verkaufen. Sie verkauft es selbst!

Ich vermute nun, dass Amazon wiederum vermutet, das Buch zu gegebener Zeit über ein Barsortiment bestellen zu können.

Amazons Vermutung ist falsch, denn die Autorin wird ihr Buch auch nicht über ein Barsortiment verkaufen, und den stationären Buchhandel wird sie selbst beliefern.

Amazon verkauft ein Buch, das es nicht hat!

Amazon wird das Buch also nie zur Verfügung haben – es sei denn, irgendjemand bietet es irgendwann gebraucht an.

Kurz und gut: Die Autorin war verzweifelt, weil sie befürchtete, dass sie durch die ins Leere laufende Vorbestellmöglichkeit Leser verlieren könnte.

Also, wie kriege ich die Kuh vom Eis?

Zusatzinformationen bei VLB ergänzen

Da ich ein praktisch denkender Mensch bin, kam mir die Idee, die Zusatzinformationen beim VLB zu ergänzen – mit dem Hinweis, dass das Buch nur von der Autorin verkauft wird. Zusätzlich habe ich die URL ihrer Website eingefügt.

zusatzinformation vlb

Amazon aktualisiert täglich die Informationen vom VLB, also schaute ich am nächsten Tag nach, um zu prüfen, ob mein Textzusatz bereits übernommen wurde – und tatsächlich: Die Information war aktuell.

zusatzinformation

Das war schon mal gut!

Was die Autorin aber immer noch wurmte, war die Vorbestellmöglichkeit. Also setzte sie sich wieder mit Amazon in Verbindung und wollte eine “falsche Produktinformation melden”. Das funktionierte aber nicht. Der Link ließ sich zwar anklicken, führte aber ins Leere.

falsche produktinformation

Also, was tun?

Eine Freundin der Autorin riet ihr, den Vorfall mit der Vorbestellmöglichkeit als Rechtsverletzung zu melden. Und genau das machte die Autorin, sie meldete eine Rechtsverletzung.

Rechtsverletzung melden!

amazon rechtsverletzung melden

Keine Rechtsverletzung?

Amazon reagierte prompt und teilte mit, dass man nichts tun könne.

Thank you for your report of infringement. We cannot take action on your report.

Übersetzung: “Vielen Dank für Ihre Meldung eines Verstoßes. Wir können aufgrund Ihrer Meldung keine Maßnahmen ergreifen.”

Die Autorin ließ sich nicht unterkriegen und füllte das Formular erneut aus. Reaktion: Man könne nichts tun. Die Autorin meldete die Rechtsverletzung wieder und wieder – und dann plötzlich schrieb Amazon:

“Thank you for your report of infringement. We reviewed your report and removed the infringing content on the ASINs listed below.”

Übersetzung: “Vielen Dank für Ihre Meldung eines Verstoßes. Wir haben Ihre Meldung überprüft und die rechtsverletzenden Inhalte aus den unten aufgeführten ASINs entfernt.“

Ich schaute bei Amazon nach, und in der Tat: Die Vorbestellmöglichkeit ist gelöscht! Stattdessen erscheint nun – wieder – der Hinweis: “Derzeit nicht auf Lager.”

Derzeit nicht auf Lager

amazon nicht auf lager

Zusammen mit der Information, dass die Autorin das Buch selbst verkauft, ist nun alles “in Ordnung!” Zumindest so weit, wie es unter den gegebenen Umständen möglich ist.

Fazit: Man darf sich nicht alles gefallen lassen! Auch von Monopolisten nicht.

PS: Was für ein Stress diese lästige Angelegenheit der Autorin bereitet hat, kann man in einem ausführlichen Artikel auf ihrem Blog lesen.


Zusatzinformation am 31. August 2022: Da ich Lisas Buch testweise bei Amazon bestellt hatte und die Lieferung für den 31. August angekündigt war, bekam ich gestern die Information, dass Amazon das Buch “noch nicht zur Verfügung” habe. Man würde sich bemühen, es irgendwie/irgendwo zu besorgen.

Diese Bemühung können sie sich sparen!

Zusatzinformation am 7. Oktober 2022: Da ich von Amazon nicht ständig die Information bekommen möchte, dass es immer noch nicht gelungen ist, das Buch zu beschaffen, habe ich die Bestellung mittlerweile storniert.

Ähnliche Erfahrung der Autorin Ute Sybille Schmitz ziemlich genau ein Jahr später: Amazon bietet ein Buch an, das es gar nicht hat

7 Kommentare

  1. Liebe Renate,

    vielen herzlichen Dank für diesen sehr anschaulichen und interessanten Beitrag. Ich hätte es nie so kurz und prägnant auf den Punkt bringen können, allem voran nicht mit dieser Objektivität. Es war eine wirklich frustrierende und gleichzeitig spannende Erfahrung. Ich bin dir dankbar, dass du mich in dieser Zeit begleitet hast.
    Hoffentlich werden mögliche Autorinnen und Autoren mit demselben Problem Kraft und Durchhaltevermögen aus deinem Beitrag ziehen können, denn du hast vollkommen Recht: So etwas dürfen wir uns nicht gefallen lassen!

    Herzlich,
    Lisa

  2. Gute Erklärung der Vorgehensweise von Amazon, welche ich sonst nicht gefunden haben. Außerdem danke für den Tip mit dem Hinweis. Werde meine Angaben im vlb entsprechend ergänzen.

  3. Die Großen meinen, dass sie sich alles erlauben können. Habe leider auch ähnliches erlebt, bei dem man sogar bestätigte, dass ich Recht habe. Ich solle mein Recht halt einklagen. Sie wussten aber genau, dass ich das finanziell nicht durchhalten kann.

  4. Lieber Axel, deine Erfahrung mit Amazon passt zu meinen. Die von dir geschilderte Reaktion ist an Zynismus kaum zu überbieten.

  5. Liebe Renate,
    herzlichen Dank für Deinen Einsatz und die Mühe, die Du Dir damit gemacht hast, ich finde es auch unmöglich, was Amazon sich da herausnimmt und das geht vielen Autoren so, das ärgert mich ganz besonders, weil Lisa’s “Buch” meiner Meinung nach nicht einfach unter all den anderen Büchern verschwinden sollte, weil es viel mehr ist als ein Buch, es ist ein Kunstwerk!
    Herzliche Grüße

  6. Lisas Buch ist in der Tat ein Kunstwerk, lieber Paul!
    Und ich freue mich sehr, dass sie mich “gefunden” hat, denn hätte sie ihr Buch bei Tredition drucken lassen, hätte sie es vermutlich wütend und enttäuscht in die Papiertonne gepfeffert. Denn ihre einzigartigen Zeichnungen wären mit Digitaldruck nicht annähernd so gut geworden wie beim jetzigen Offsetdruck. Von der buchbinderischen Verarbeitung mal ganz angesehen …

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