Warum Bezahl- bzw. Dienstleistungsverlage so einen schlechten Ruf haben
Hier zeige ich einen Vertrag mit einem in der Szene gut bekannten Zuschuss- oder Bezahlverlag. Er schmückt sich mit einem wohlklingenden Namen und versucht – wohl auch mit Erfolg –, Autoren unterschwellig Seriosität vorzugaukeln. Den Verlagsnamen habe ich bewusst unkenntlich gemacht. Nur soviel: Der Name erinnert an einen berühmten Schriftsteller.
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Kosten
Auf der abgebildeten Seite ist ein Vertrag formuliert, über den ich nur den Kopf schütteln kann – so dreist sind die Kosten:
11.572 Euro
für ein Fachbuch mit 236 Seiten
Fast 12.000 Euro soll der Autor auf den Tisch des Verlages blättern. Für diese stolze Summe bekommt er 30 Freiexemplare und wird mit 30 % am Verkaufserlös beteiligt – bezogen auf den Ladenpreis.
Also, rechnen wir doch mal sehr optimistisch, ausgehend von verkauften 1.000 Büchern:
17.800 Euro nimmt der Verlag ein, von denen der Autor 30 % bekommt. Das ergibt 5.340 Euro. Also noch nicht mal die Hälfte seiner Ausgaben. Vorausgesetzt, er verkauft 1.000 Bücher – was bei seinem Nischenthema (ich kenne es) so gut wie ausgeschlossen ist. Selbst der Autor rechnet im besten Fall mit 500 verkauften Büchern.
2.000 verkaufte Bücher, die er bräuchte, um wenigstens seine Kosten zu decken, sind völlig unrealistisch. Der Autor macht also Verlust, – und zwar nicht zu knapp.
Verlag räumt ab
Wer sich die Hände reibt, das ist der Verlag, denn der hat den Reibach gemacht. Er produziert eine »rasch zu druckende Startauflage von 300 bis 500 Stück«. So steht es zumindest im Kleingedruckten. Druckkosten für so eine Auflage liegen bei meiner Druckerei bei maximal 1.500 Euro. Maximal! Nehmen wir mal großzügig an, die Satzkosten betragen 1.000 Euro – dann nimmt der Verlag weit über 8.000 Euro ein. Denn lektoriert wird das Buch nicht, zumindest ist davon im Vertrag nicht die Rede. Es entstehen also auch keine Kosten für ein Lektorat, sondern nur für den Buchsatz.
Alles in allem: Der Verlag sackt über 8.000 Euro ein. Für lau! Der Autor dagegen ist erstmal rund 11.000 Euro los! Dafür bekommt er 30 Bücher »geschenkt«, und mit sehr viel Glück nimmt er noch ein paar tausend Euro durch den Verkauf ein.
Werden tatsächlich 1.000 Bücher verkauft (was nicht anzunehmen ist!), verdient der Verlag erneut, nämlich 70 %. Bei 1.000 Büchern hätte er dann insgesamt rund € 20.000 eingesackt – abzüglich der Vertriebskosten. Beziffern wir die mal mit 5.000 Euro. Dann kann der Verlag 15.000 Euro für sich verbuchen.
Der Autor hingegen hat 6.000 Euro Minus gemacht!
Druckkosten
Will der Autor außer den 30 kostenlosen Exemplaren weitere Bücher, so muss er sie kaufen. Und zwar für 50 % vom Ladenpreis. Und das, obwohl er bereits über 11.000 Euro bezahlt hat.
Fragwürdiges Imprint
Auch noch erwähnenswert: Der Autor schließt einen Vertrag mit einem englischen Verlag ab – einem Imprint des Bezahlverlages. Warum für dieses Buch ein Imprint auf den Plan tritt, kann sich jeder denken, der nicht auf den Kopf gefallen ist: Eine rechtliche Auseinandersetzung mit einem im Ausland ansässigen Verlag ist vermutlich eine schwierige Angelegenheit, die sich jeder Autor gut überlegen wird.
TV-Auftritt
Dann wird auch noch von einem TV-Auftritt gefaselt – was vermutlich den Autor beeindrucken soll. Mehr ist an dieser wohlklingenden Passage im Vertrag nicht dran. Das Thema dieses Sachbuchs ist für einen TV-Auftritt definitiv nicht relevant.
Aus genau diesen Gründen haben Zuschussverlage so einen schlechten Ruf. Denn sie arbeiten alle mit der gleichen Methode: Sie ziehen den Autor über den Tisch.
Hinweis: Bei Edition Blaes sehen die Kosten völlig anders aus. Für das Buchprojekt, das der obigen Kalkulation zugrunde liegt, betrugen sie rund 3.000 Euro – inklusive Druckkosten von 300 Büchern. Und die Bücher gehören alle dem Autor.
Mehr zum Thema:
Überzuschussverlage-1
Über Zuschussverlage-3
Artikel über Zuschussverlage im »Literaturcafé«
Kalkulation eines Zuschussverlages
Die Frage verstehe ich leider nicht.