Lebende Maus oder lebendige Maus?

In einem Artikel von „Stern“ online habe ich gestern folgende Überschrift gefunden: „Aus diesem Grund bringen Katzen lebendige Mäuse mit nach Hause

Da meine Katzen schon häufig Mäuse mit nach Hause gebracht haben, weiß ich, dass in der gezeigten Überschrift ein Fehler* ist. Und zwar betrifft es das Wort „lebendig“. Denn in dem Artikel geht es nicht um lebendige Mäuse, sondern um lebende Mäuse.

*Ich habe der Journalistin eine E-Mail geschickt – sie hat den kleinen Fehler bereits korrigiert.


Lebende Maus oder lebendige Maus? – Ein sprachlicher Unterschied mit Bedeutung

Die deutsche Sprache ist sehr nuancenreich. Ein gutes Beispiel dafür sind die Begriffe „lebende Maus“ und „lebendige Maus“. Auf den ersten Blick scheinen sie austauschbar – schließlich geht es in beiden Fällen um eine Maus, die nicht tot ist. Doch ein genauerer Blick zeigt: Es gibt feine Unterschiede im Sprachgebrauch und in der Bedeutung.

Die „lebende Maus“ – sachlich und biologisch

Der Ausdruck „lebende Maus“ beschreibt schlicht den Zustand der Maus: Sie ist nicht tot, sie existiert aktuell als biologisch lebendiges Tier.

Beispiel

Meine Katze hat eine lebende Maus mit nach Hause gebracht.

In diesem Satz wird festgestellt, dass die Maus lebt – es geht nicht um ihren Charakter oder ihr Verhalten, sondern um ihren physischen Zustand.

Maus Tuch

Typischer Gebrauch:

  • in wissenschaftlichen Texten
  • in Berichten über Forschung, Biologie oder Tierhaltung
  • überall dort, wo es um Leben und Tod im faktischen Sinne geht

Die „lebendige Maus“ – voller Leben und Ausdruck

Maus Zahnseide

Der Begriff „lebendige Maus“ hingegen hat eine emotionalere, bildhaftere Komponente. Er beschreibt nicht nur, dass die Maus lebt, sondern auch, dass sie aktiv, quirlig, vielleicht sogar neugierig oder verspielt ist.

„Lebendig“ ist ein Adjektiv, das oft verwendet wird, um eine gewisse Energie, Ausdruckskraft oder Lebhaftigkeit zu betonen.

Beispiel

Die lebendige Maus ließ sich von mir zu einem Fotoshooting im Badezimmer überreden.

Maus Bad
Maus Cremedose
Maus putzt sich

Hier wird ein Bild gezeichnet: Die Maus bewegt sich, ist lebhaft – sympathisch und niedlich. Der Fokus liegt hier nicht auf dem Leben an sich, sondern auf der Art und Weise, wie das Leben dieser putzigen Maus sichtbar wird: Sie ist überhaupt nicht scheu oder ängstlich, sondern benimmt sich völlig unbefangen und lässt sich von mir nicht aus der Ruhe bringen (obwohl sie eben knapp dem Tod entgangen ist).

Typischer Gebrauch:

  • in Erzählungen oder literarischen Texten
  • in emotionalen oder bildhaften Beschreibungen
  • wenn Lebhaftigkeit oder Energie betont werden soll

Kurzer grammatikalischer Exkurs

Die Unterscheidung beruht auf der Herkunft der beiden Adjektive:

  • „lebend“ ist das Partizip I von leben → beschreibt den Zustand
  • „lebendig“ ist ein adjektivisch gebrauchtes Wort mit weiter gefasster Bedeutung → betont Eigenschaften des Lebendig-Seins

Daher:

  • lebende Maus = Maus, die lebt (Gegenteil von tot)
  • lebendige Maus = Maus, die lebhaft oder voller Leben wirkt (Gegenteil von leblos, träge oder mechanisch)
Maus Gitterblech

Fazit – kleiner Unterschied, große Wirkung

Ob man von einer lebenden oder einer lebendigen Maus spricht, hängt stark vom Kontext ab:

AusdruckBedeutungTypischer Kontext
lebende MausMaus, die lebt, nicht tot istsachlich, wissenschaftlich
lebendige MausMaus, die aktiv, quirlig, lebhaft wirktemotional, erzählerisch, bildhaft

Die umfangreiche Wortschaft der deutschen Sprache (Grundwortschatz: ca. 150.000 Wörter) ermöglicht uns, durch kleine Unterschiede große Bedeutungen zu transportieren. Manchmal genügt schon ein anderes Adjektiv, um zwischen einem nüchternen Befund und einer lebendigen Geschichte zu wechseln.


Wer sich beim Schreiben also fragt, welches Wort besser passt, stelle sich vor, wie viel Gefühl oder Bild er transportieren will. Geht es ums bloße Leben? Dann ist „lebend“ das richtige Wort. Will man zeigen, dass etwas lebhaft ist? Dann greift man zu „lebendig“.

Beispielsätze

„Lebende Maus“ – sachlich und nüchtern

  • Die Katze brachte eine lebende Maus ins Haus, die sofort unter das Sofa lief.
  • Forscher beobachten das Verhalten von lebenden Mäusen unter verschiedenen Bedingungen.

„Lebendige Maus“ – bildhaft und lebhaft

  • In der Kinderbuch-Illustration winkte eine lebendige Maus mit einem roten Tuch.
  • Die Figur der kleinen, lebendigen Maus verlieh der Geschichte ihren charmanten Mittelpunkt.

Übrigens: Ich habe das Mäuschen nach dem Fotoshooting in den Garten gebracht, wo es hoffentlich noch ein langes und unbekümmertes Mäuseleben hatte.

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