Gedanken über das Wörtchen Danke

Diesen Artikel habe ich vor zwei Jahren veröffentlicht – an Aktualität hat er nichts eingebüßt.

Danke!

Immer öfter stelle ich fest, dass nicht nur Wörter wie »Nebenmensch« (Mitmensch) oder »Poetenkasten« (hinterer Teil des Kopfes) aus unserem aktiven Wortschaft verschwunden sind, sondern auch andere Begriffe alllmählich in der Versenkung landen. So verliert auch das kleine, wichtige und zugleich zauberhafte Wort Danke immer mehr an Wert.

Als Kind wurde ich von meinen Eltern dazu erzogen, mich zu bedanken. Egal, ob beim Metzger, wenn er mir ein Rädchen Fleischwurst schenkte. Oder bei der Frau im Tante-Emma-Laden für eines dieser bunten Bonbons aus dem großen, dickwandigen und mit Luftblasen durchsetzten Glas auf dem Tresen. Oder bei der Nachbarin, wenn sie mir eine Scheibe selbst gebackenes Bauernbrot – mit ebenfalls selbst gemachter Butter bestrichen – schenkte.

Danke – nur fünf Buchstaben?

„Danke“ ist auch heute noch ein selbstverständliches Wort für mich, und ich benutze es täglich mehrfach. Wenn mir jemand die Tür aufhält zum Beispiel oder wenn mir jemand die Vorfahrt schenkt (dann bedanke ich mich mit einem Winken). Ich bedanke mich bei der (freundlichen) Kassiererin im Supermarkt, ich bedanke mich im Restaurant beim (freundlichen und aufmerksamen) Kellner, und ich bedanke mich beim Joggen beim Hundebesitzer, wenn er seinen vierbeinigen Freund an die Leine nimmt, wenn er mich daherlaufen sieht. Ich bedanke mich bei der Druckerei-Mitarbeiterin, wenn sie mir auf meine Anfrage hin ein Angebot schickt. Ich bedanke mich bei der Korrektorin, wenn sie ein von mir lektoriertes Manuskript Korrektur gelesen hat. Kurz und gut: Es gibt viele Gelegenheiten, Danke zu sagen. Und ich nutze sie mit Vergnügen.

Jeder von uns kennt zwar dieses kleine Zauberwort, aber immer weniger Zeitgenossen benutzen es. Über den Grund kann ich nur Vermutungen anstellen.

Vermutung Nr. 1

Meine erste Vermutung ist, dass den meisten Menschen der „Nebenmensch“ völlig egal ist. Das ist fatal, denn der Nebenmensch kann in gewissen Situationen sehr wichtig sein. In Notsituationen zum Beispiel. Aber auch in alltäglichen Situationen ist der Nebenmensch etwas Wunderbares, wenn er einen auf der Straße freundlich grüßt zum Beispiel. Er nimmt mich wahr – und wahrgenommen zu werden, ist auch wichtig. Babys, die von ihrer Mutter nahrungstechnisch zwar versorgt werden, aber keine Streicheleinheiten und persönliche Aufmerksamkeit bekommen, sterben.

Vermutung Nr. 2

Meine zweite Vermutung ist, dass viele Menschen meinen, Anspruch auf »milde (kostenlose) Gaben« ihrer Mitmenschen zu haben. Das ist ein Irrtum, denn wir haben keinen Anspruch auf Geschenke. Wir haben höchstens Anspruch auf einen Gegenwert – wenn wir mit jemandem einen Vertrag geschlossen haben zum Beispiel. Aber selbst dann schadet es nicht, sich nach geleisteter Arbeit zu bedanken.

Anspruchsdenken?

»Ich bezahle, also habe ich Anspruch auf Gegenwert.« Ganz offensichtlich haben viele Menschen diese Denkweise. Sie ist grundsätzlich korrekt, aber erstens gibt es himmelweite Unterschiede zwischen einem Gegenwert, der lustlos runtergenudelt wurde, und einem Gegenwert, dem man ansieht, dass der Erbringer ihn professionell + engagiert geleistet hat.
Zweitens schadet ein Dankeschön – auch bei einem bezahlten Gegenwert – nie und niemandem.

Vermutung Nr. 3

Meine dritte Vermutung ist, dass viele eine Leistung nicht wertschätzen. So eine Nicht-Wertschätzung schadet allerdings nicht nur dem Sender der Leistung, sondern auch dem Empfänger. Schließlich nimmt der gar nicht wahr, was für einen »Schatz« er bekommen hat, also welche Wertschätzung der Sender ihm entgegenbringt.

Ein aufrichtiges Danke erfüllt nicht nur den Empfänger mit Freude, sondern auch den Absender. Das bemerke ich immer wieder – in allen erdenklichen Situationen, in denen ich mich bedanke. Denn ich empfinde tatsächlich ein Gefühl hinter diesem Wort: das Gefühl der Wertschätzung. Aufrichtig entgegengebrachte Wertschätzung spürt das Gegenüber genau. Und wenn dann in seinem Gesicht ein Lächeln aufzieht (ein Lächeln kann man auch am Telefon „hören“ oder in deiner E-Mail erkennen), verstärkt das meine Freude, und mein Tag ist »gerettet«.

Wertschätzung?

Angeregt zu dieser kleinen Betrachtung wurde ich durch ein aktuelles Erlebnis: Ich habe ein Manuskript lektoriert. Das gehört zu meiner täglichen Arbeit und wäre im Grunde nichts Besonderes.

In diesem Fall war es aber etwas Besonderes, denn ich habe in meinen vielen Jahren als Lektorin noch nie ein derart mit Fehlern behaftetes Manuskript vor Augen gehabt. Auf 500 Seiten hatte ich das Missvergnügen, exakt 13.642 Korrekturen durchzuführen. Das war eine sehr zeitaufwändige Angelegenheit, und mein Honorar lag letztlich bei 15 Euro in der Stunde. (So viel verdienen Zugehfrauen hier am Ammersee …)

Ich habe den Autor gefragt, ob er sein Manuskript nach Fertigstellung gelesen habe. Nein, hat er mitgeteilt, er habe zwar sehr viele Textstellen überarbeitet, aber das fertige Manuskript habe er nicht mehr gelesen. (!) Er habe aber das Korrekturprogramm von WORD darüber laufen lassen. Dazu gibt es zu sagen: Das Korrekturprogramm von WORD ist eine Katastrophe. Grund: Die meisten Fehler findet es nicht, im Gegenzug dazu sind viele der angezeigten Fehler überhaupt keine.

Was mich an der Sache am meisten geärgert hat: Als ich dem Autor das mühsam, aber trotzdem engagiert überarbeitete Manuskript geschickt habe, hat er nicht mal den Empfang bestätigt. Das habe ich ihm übelgenommen – das gebe ich unumwunden zu.

Wertschätzung!

danke

Aber es geht auch anders. Das obige Foto zeigt einen süßen Gruß eines Autors, dem ein Danke offensichtlich ähnliche Freude bereitet wie mir.

Auch Prof. Scollo Lavizzzari hat mir schweizerisch-süße Grüße geschickt.

scollo

Manchmal wird sogar mein „Mitarbeiter“ bedacht. Wie in diesem Fall – von Hermann M. Weil, der dem immer-müden Rosso zu Weihnachten 2023 ein kuscheliges Schaffell geschenkt hat.

Rosso Schaffell

Apropos Katze: Auch die Autorin Lisa Marie Tietz weiß, dass ich Katzen liebe und hat als Danke für meine Unterstützung bei ihrem Buchprojekt eine wunderbare Illustration für mich gemalt.

illustration

Mein Fazit: Auch wenn das Wort Danke an Wert zu verlieren scheint, gibt es immer wieder Menschen, denen Wertschätzung zu zeigen ein Bedürfnis ist. Und dazu sage ich aus ganzem Herzen:

DANKE!

Nicht vergessen: Wertschätzung tut gut! Nicht nur dem Empfänger …

6 Kommentare

  1. „Danke“ ist für mich sehr wichtig und wird freigebig verteilt: Dem Chauffeur beim Aussteigen (er hat mich immerhin sicher an mein Ziel gebracht und hat noch einen anstrengenden Tag vor sich), der Einpackhilfe im Supermarkt (da auch finanziell), der Verkäuferin, die meine Wurst frisch schneidet und mir das Packerl über den Tresen reicht, der Person in der U-Bahn, die ausweicht, damit ich aussteigen kann… Und immer mit einem freundlichen Lächeln kombiniert. Das erwärmt auch mir den Tag, denn es macht mir bewusst, wie entgegenkommend Fremde sind und in welch friedlicher und reicher Umgebung wir leben.

  2. Mir wurde auch beigebracht, dass man sich bedankt und ich finde immer noch, dass es sich einfach gehört. Ich bin ja auch im Dienstleistungssektor unterwegs und bin immer wieder etwas irritiert, wenn auf eine pünktliche Lieferung kein Wort kommt. Kein Danke, kein Bitte, kein Nichts. Von daher kann ich deinen Ärger gut verstehen, liebe Renate. Gut, dass es auch noch andere Menschen/Kunden gibt, die zu schätzen wissen, wenn man eine Extrarunde für sie dreht.
    Herzliche grüße,
    Doris

  3. Ja, so ist es, liebe Caterina. Ich staune und freue mich immer wieder über das Lächeln wildfremder Menschen auf meinen Wegen. Das einem in einem kleinen Dorf vermutlich häufiger begegnet als in der Großstadt.
    Worüber ich mich besonders freue: in Schondorf (wo ich lebe) gibt es ein Elite-Internat, das direkt an meinem Jogging-Weg liegt. Manche der Schüler ignorieren mich, wenn ich vorbeilaufe. Aber viele grüßen mich und lächeln mich dabei an. Aus solchen Kindern werden vermutlich Erwachsene, die das Wort Danke oft benutzen.

  4. Ich gehöre auch noch zu der wohl aussterbenden Rasse der Leute, die sich bedanken, und dabei vielleicht sogar auch noch ein kleines Lächeln auf den Lippen haben. Das haben die heutigen Jungen wohl verlernt, sind ja auch meistens durch den starren Blick auf ihr Smartphone vom wahren Leben abgelenkt. Und der Verfall der Erziehung zeigt sich auch noch in anderen Situationen, wie beim Aufstehen für ältere Menschen, beim Türaufhalten, und in noch vielen anderen Situationen unseres alltäglichen Lebens. Schade, wir konnten Begriffe wie Anstand und Höflichkeit nicht mehr an unsere Nachkommen weitergeben, und müssen uns auch fragen, ob wir vielleicht ja selber was falsch gemacht haben.

  5. Liebe Renate,

    Danke für diesen bewegenden Beitrag, welcher leider die traurige Wahrheit der heutigen Gesellschaft ans Licht bringt. Für mich ist es vollkommen schleierhaft, warum die Menschen es als so schwierig empfinden, ein Dankeschön auszusprechen. Denn: Ich finde es nicht nur schön, ein Danke zu empfangen … viel lieber noch verteile ich es an Menschen, die es verdienen. Und „Verdienen“ fängt bei Kleinigkeiten und sogar Selbstverständlichkeiten an. Dankbarkeit zu empfinden ist ein wirklich schönes Gefühl für mich, das ich gerne nach draußen trage und die dafür Verantwortlichen spüren lassen möchte. Ein Dankeschön kann nur Gutes bewirken … sowohl beim Empfangen als auch mein Aussprechen. Schade, dass nur wenige es so empfinden und sich die Gesellschaft dahingehend in eine falsche Richtung entwickelt.

    In diesem Sinne: Danke für dich.

    Herzlich,
    Lisa Marie

    PS: Diese Thematik lässt sich auch wunderbar auf Komplimente übertragen … ebenso schön zu empfangen und auszusprechen, und dennoch tut es kaum noch jemand.

  6. Ich liebe es, Komplimente zu verteilen. Und aus diesem Grund mache ich es so oft wie möglich. „Ach, was haben Sie für einen niedlichen Hund!“ (Beim Joggen.)
    „Sie haben wunderschöne Augen!“ (Beim Einkaufen zu einer Verkäuferin.) Und so weiter und so weiter. Möglichkeiten, einem anderen Menschen etwas Nettes (und ehrlich Gemeintes) zu sagen, sind mannigfaltig. Und das Lächeln im Gesicht des Gegenübers ist immer wieder eine Freude für mich.

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