Zum Thema Manuskriptprüfung

Regelmäßig bekomme ich Manuskripte von Autoren geschickt, mit der Bitte um meine »ehrliche« Meinung. Mittlerweile kann ich sagen, dass kaum einer von ihnen wirklich an meiner Meinung interessiert ist. Der Autor will nur eines hören oder lesen: »Das Manuskript ist gut/prima/excellent.«

Excellente Manuskripte sind rar. Prima Manuskripte ebenfalls. Selbst gute Manuskripte sind dünn gesät. Das ist schade, denn ich würde mich freuen, mehr gute Manuskripte auf den Tisch zu bekommen.

Manuskriptprüfung

Ein gutes Manuskript zu lesen, macht Spaß, manchmal bereitet die Arbeit daran sogar richtig Freude. Aber diese Freude erlebe ich leider nicht oft. Das liegt zum einen daran, dass Schreibtalent nicht jedem in die Wiege gelegt wurde, trotzdem aber viele meinen, ein Buch schreiben zu müssen. Weil sie ein interessantes Leben haben, zum Beispiel. Weil ihnen langweilig ist. Weil sie glauben, ein zweiter Hemmingway oder Steinbeck oder King zu sein. Weil sie ihre Lebensphilosophien oder Krankheitsgeschichten unters Volk bringen möchten … Es gibt vielerlei Gründe, Autor zu werden. Nicht zuletzt auch der monetäre Aspekt, wobei eines klar sein muss: Als Autor sein Leben fristen zu können, ist eine Gunst, die nur wenigen Zeitgenossen zuteil wird.

Aber zurück zum Thema ehrliche Meinung. Meine Erfahrung ist, dass Autoren oft pikiert sind, wenn ich ihnen meine ehrliche/kritische Meinung mitteile.

Kostenlose Manuskriptprüfung?

Meine zweite Erfahrung ist, dass die Autoren, die ungefragt ein Manuskript schicken, davon ausgehen, dass ich ihrem Werk erst meine Aufmerksamkeit schenke und mir dann auch noch die Mühe mache/Zeit nehme, meine Meinung zu formulieren. All das natürlich ohne Honorar.

Wer zum Anwalt geht, bezahlt pro Beratungsstunde mindestens 250 Euro – nach oben offen.

Warum also kommen Autoren auf die Idee, eine Manuskriptprüfung sei honorarfrei? Ich weiß es nicht. Das ist die eine Sache.

Trugschluss Nr. 1

Die andere Sache aber ist, dass Autoren sauer sind, wenn ich angesichts ihres Manuskriptes nicht in Begeistungsstürme ausbreche, sondern Verbesserungen vorschlage, also Kritik übe. Und wenn ich das mache, sage ich auch immer, was mir nicht gefällt, und ich sage auch, warum es mir nicht gefällt bzw. was geändert/verbessert werden sollte. Das bedeutet meist, dass Arbeit ins Haus steht – für den Autor. Denn es ist nicht Aufgabe eines Lektors, aus einem nicht besonders guten Manuskript ein gutes zu machen. Aufgabe eines Lektors ist, aus einem guten Manuskript ein besseres zu machen.

Trugschluss Nr. 2

Da Autoren dazu neigen, in ihr Manuskript verliebt zu sein wie ein Primaner in seine erste Angebetene, hegen die meisten eine abgrundtiefe Abneigung gegen meinen Vorschlag, es zu überarbeiten. Denn viele Autoren meinen, nach dem Setzen des letzten Punktes sei ihre Arbeit getan, der “Rest” sei Sache des Lektors.

Und das ist der zweite Trugschluss. Das Überarbeiten eines Manuskriptes ist in erster Linie Sache des Autors. Und meine persönliche Erfahrung ist, dass eine Überarbeitung nicht reicht; eine zweite ist auf alle Fälle anzuraten; eine dritte kann auch nicht schaden.

Fehler über Fehler

Den meisten Manuskripten sehe ich auf den ersten Blick schon an, dass keine Überarbeitung stattgefunden hat. Zum Beispiel dann, wenn sie von Fehlern nur so strotzen: Das statt dass – und umgekehrt. Falsche und/oder fehlende Kommasetzung. Grammatik- und Rechtschreibfehler. Um nur ein paar der typischen Fehler zu nennen.

Und damit sind wir schon beim dritten Trugschluss.

Trugschluss Nr. 3

Fehler zu eliminieren, ist nicht Aufgabe des Lektors, sondern die des Korrektors! Wobei ich auch bei meiner Lektoratsarbeit Fehler korrigiere – als Service für den Autor sozusagen. Trotzdem oder gerade deshalb ist es Aufgabe des Autors, sein Manuskript genau nach Fehlern zu untersuchen und sie zu korrigieren.

Alle von mir lektorierten Texte lasse ich übrigens von einer Korrektorin überprüfen.

Rechtschreibprüfung

Viele Autoren schreiben ihre Manuskripte mit WORD. Dieses Programm hat auch eine Rechtschreibprüfung. Die ist zwar miserabel, aber die gröbsten Fehler findet sie zumindest.

Der Autor sollte sich also die “Mühe” machen, sein Manuskript erstmal durch diese Rechtschreibprüfung laufen zu lassen, bevor er es einem Lektor übergibt.

Trockendusche?

Wenn ich also so ein (nicht überarbeitetes) Manuskript angeschaut und dem Autor mitgeteilt habe, dass er es doch bitte sehr überarbeiten möge, stoße ich meist auf taube bzw. beleidigte Ohren. Von wegen »Ich bitte um Ihre ehrliche Meinung …«

Mein Fazit lautet deshalb: Die wenigsten Autoren möchten (m)eine ehrliche Meinung hören. Die meisten möchten lieber gebauchpinselt werden – ganz nach dem Motto: Dusch mich, aber mach mich nicht nass.

Man kann zwar auch mit aufgespanntem Regenschirm duschen, aber das Ergebnis dürfte nicht allzu befriedigend sein. Ähnlich verhält es sich mit einem Manuskript, das nicht kritisch und aufrichtig bewertet wird. Davon hat nämlich niemand was. Weder der Autor noch der Lektor, geschweige denn der spätere Leser.

Meine Erfahrung: Kaum ein Autor will eine ehrliche Meinung hören.

Da ist zum Beispiel der Autor, der nach meiner Empfehlung, das Manuskript intensiv zu überarbeiten, schreibt: »Mein Manuskript wurde bereits von einem Fachmann lektoriert …«

Dazu kann ich nur sagen: »Wenn dieses Manuskript tatsächlich lektoriert wurde – dann auf keinen Fall von einem Lektor, der sein Handwerk beherrscht.«

Da ist die Autorin, 16 Jahre jung, der ich empfehle, ihre »flapsigen« Formulierungen zu überarbeiten. Antwort: »Das ist mein Schreibstil … und an dem werde ich nichts ändern.«

Ich kann verstehen, dass eine 16-jährige Verbesserungsvorschläge als negative Kritik auffasst, aber es nutzt nichts, wenn ich ihr Honig um den Mund schmiere. Wenn ein Teenager einen Roman verfasst, so hat er meine Hochachtung. Aber diese Leistung allein ist kein Garant für literarische Qualität. Qualität bedeutet: Talent + Fleiß. Fleiß gehört zum Schreiben eines Buches, ist aber nur zum Teil Voraussetzung für ein gutes Ergebnis.

Es gibt Gott sei Dank auch andere Erfahrungen. Das Manuskript einer anderen Autorin konnte ich auch nicht loben. Und ich habe auch gesagt, warum. Sie war nicht beleidigt, sondern nahm meine Kritik als Anregung, »eine grundsätzliche Entscheidung zu treffen«. Damit meinte sie, das Manuskript in die Tonne zu treten und den Roman neu zu schreiben.

So unterschiedlich sind Autoren. Nur mit den selbstkritischen kann ich zusammenarbeiten. Beleidigte Mimosen sind nicht bereit zum konstruktiven Dialog. Doch genau der ist Voraussetzung für ein »gutes« Buch. Was immer »gut« auch heißen mag …

Ein Manuskript neu zu schreiben ist in manchen Fällen übrigens besser und geht meist auch schneller, als das Manuskript komplett zu überarbeiten.


Fazit

Ein Manuskript zu prüfen, kostet Zeit. Und wenn ich mich – zum Beispiel – eine Stunde lang (meist länger) mit einem Manuskript beschäftige, dann beträgt das Honorar: EUR 130,00 + MwSt.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert